„Wir lassen sie nicht sterben“ – Über Verdrängung und Solidarität in Zeiten einer Plage

Den Tauben war es an und für sich wurscht. Die lange Reihe an Verboten, die die Innsbrucker Stadtpolitik sich ausgedacht hatte, um sich unliebsamer Probleme irgendwie zu entledigen. Oder besser: Sie aus dem Sichtfeld zu rücken und irgendwohin ins Unsichtbare zu verdrängen. Bettelverbot, Alkoholverbot, Nächtigungsverbot für Wohnungslose. Komplexe Probleme finden hier seit jeher die denkbar einfachsten Antworten.

Hier, eingeklemmt zwischen Bergketten und dem unweigerlichen Aufeinanderprallen von globaler Auseinandersetzung und immergleicher Eindimensionalität, wo früher immer alles besser war und Neues stets Schwierigkeiten damit hat, seine Richtung zu finden. Im Denken, aber auch im Umdenken. Um nicht zu viel nachdenken zu müssen, ist man daher auch stets unverlegen mit Schuldzuweisungen. Was haben wir nicht schon alles aushalten müssen, allein in den letzten sieben Jahren? Flüchtlingswelle, Pandemie und anderes Gedöns. Schuld sind da gerne mal die, die helfen wollen, die Gutmenschen, oder seit Corona trending: das gemeine Partyvolk.

Nun gut, den Tauben lagen Schuldzuweisungen stets fern. Das muss man fairerweise dazusagen. Von Partys hielten sie sich bislang auch lieber fern, aber ansonsten hatten sie eigentlich immer eine gute Zeit. Sie hatten schließlich alles, was sie brauchten: Eine fancy Unterkunft und eine Mahlzeit auf dem Tisch. Und ja, jetzt sind die Tauben natürlich auch eine Minderheit in der Stadt, man könnte so gesehen auch meinen eine Randgruppe. Aber dann doch zumindest eine, die sich jederzeit nach oben absetzen und von den Dächern und Laternenmasten auf alles runterscheißen kann. Die obersten 10.000 möchte man fast sagen, wenn es denn überhaupt so viele sind. Aber wer will schon genaue Zahlen nennen. Man spricht nicht gerne über den Luxus eines Taubenschlages im Wohngebiet, aber seien wir mal ehrlich, was sollte den Tauben in einer Wohlstandsgesellschaft wie der unseren schon groß passieren?

Sieben Jahre und eine Taubenschlagverlegung später liegen dieselben Tauben tot auf den Straßen der Stadt. Ein Friedenssymbol krepiert auf offener Straße mitten im Heiligen Land Tirol. Weil schuld sind jetzt nämlich die, die versuchen, die Tauben vor dem Verenden zu retten. Die, die sich dem System tapfer widersetzen und sagen: „Wir lassen sie nicht sterben!“. Die sollen jetzt bitte aufhören damit, die Tauben zu füttern, ist ja eh auch schon längst verboten.

Nun gut, wenn keine Brotkrumen mehr da sind, dann sollen sie doch Kuchen essen. Nur füttern werden wir sie nicht. Weil wir hier so unsere Probleme lösen. Auch dann, wenn sie überhaupt erst durch unsere Verlegung entstanden sind. Nur die Tauben eben Gewohnheitstiere sind und sich nicht verlegen lassen wollten. Ein verrückter Taubenschlag und voilà: Verendende Tauben werden zum Symbol des Widerstandes gegen die Verbots- und Verdrängungspolitik in Innsbruck. Vielleicht hätten sich die Tauben ja frühzeitig mit den Bewohner*innen des Eichhofs solidarisieren sollen #wirbleibenhier. Doch, weil böse Zungen jetzt wieder sagen würden, die Politiker würden gar nichts tun – falsch! Der eine besänftigt eifrig und der andere spielt herunter. Nur die Lösungen lassen mal wieder auf sich warten. Tja. Aber hey, wenn die Tauben nicht mehr hier sind, dann sind sie ja vielleicht auf dem Sonnendeck.

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