Von Powerfrauen und Klopapier

An manchen Tagen würde es mir passend erscheinen, wenn mein ganzer Kleiderschrank voller Superheldinnencapes wäre. Da das aber an manchen Stellen doch irgendwie unvorteilhaft aussehen könnte, zwänge ich mich täglich – an manchen Tagen leichter, an manchen Tagen schwerer, an manchen Tagen im Stehen, an manchen im Liegen mit angehaltenem Atem – eben doch ganz gewöhnlich in meine Jeans. Wenn’s gut läuft finde ich dazu noch ein passendes Oberteil. Dann nochmal eben schnell die Haare machen und das Make-up checken und fertig ist der Superheldinnen under cover-Look mit dem ich dann – eine Faust nach vorne – in die Welt da draußen fliege, und alles um mich herum checke…

Denn ganz ehrlich: Ich habe meinen Shit im Griff. Ich bin die Managerin meines Lebens, die Kapitänin auf meinem Schiff, das Navigationssystem durch so ziemlich jede anspruchsvolle Situation.
Ich treffe tausende Entscheidungen in meinem Job, esse Gemüse, putze mir die Zähne, engagiere mich politisch, helfe anderen, bilde mich nebenbei noch weiter, zähle meine Schritte und sorge obendrein für Unterhaltung. Ich wirble durch den Alltag, kümmere mich um alle und alles um mich herum, entschärfe Atombomben und initiiere den Weltfrieden, während ich mir mit einem Lächeln durch die Haare fahre. Kurz und vollkommen ohne übertriebene Bescheidenheit: Ich bin eine Powerfrau. So Powerfrau sogar, dass ich im gleichen Atemzug refklektiert genug bin, dieses Label als höchst kritisch zu hinterfragen.

Schon gelesen? Mein ganz persönliches OOOOHHHHMMMMMM…

Ich lasse mich durch nichts aufhalten. Über die schwierigsten Herausforderungen schwinge ich meine langen Beine gekonnt drüber und Probleme, die noch so aussichtslos wirken mögen, sind für mich gerade mal der Catwalk, auf dem ich einen Salsa hinlege. Und dabei ist das doch – bitte nur nicht zuviel Lob – nichts Besonderes, sondern gerade mal das Mindeste.

An manchen Tagen hab ich’s einfach drauf. Ich fliege durch die Woche und überrasche mich noch selbst, was ich alles schaffen kann. Und dann ist plötzlich Freitagnachmittag und mir geht das Klopapier aus. Einfach… aus. Hatte ich es doch gewusst, dass ich irgendwas vergessen hatte. Verdammt, warum konnte ich nicht rechtzeitig daran denken? Also auf zum Einkaufen. Auf dem Rückweg fällt mir auf: Ich habe kein Klopapier gekauft. Ich hadere mit meinem Geisteszustand. Habe ich es am Ende doch nicht drauf, bilde ich mir nur etwas ein, habe ich mein Leben überhaupt nicht im Griff? Peinliche Situationen aus der siebsten Schulstufe fallen mir wieder ein und mischen sich unangenehm in meinen Gemütszustand…

Also eben doch noch mal bei dem kleinen Laden vorbeischauen, der am Rückweg liegt. Wäre doch gelacht, wenn ich das nicht hinkriegen würde. Die Akne von damals habe ich schließlich auch besiegt. Außerdem – meldet sich mein achtsames Erwachsenen-Ich, das immerhin schon zweimal versucht hat, einem Yoga-Video auf Youtube zu folgen – gehört es zum Leben einer jeden Powerfrau dazu, auch mal was zu vergessen. Also rein in den zweiten Laden, eine XXL-Packung Klopapier unter den Arm geklemmt und schnell an der Kassa anstellen. Und da steht sie direkt vor mir, diese Frau. Die Frau, die nichts weiter kauft als eine XXL-Packung Klopapier, die sie unter den Arm geklemmt hat. Sie dreht sich zu mir um, sieht mich an und wir beide müssen herzhaft lachen…. Powerfrauen eben.

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