Frieda und ich

Ich hatte nie das Vergnügen, in einer richtigen WG zu leben. Und wenn ich ehrlich bin, wohne ich sehr gerne alleine. So kann ich die Tür hinter mir schließen und muss mit niemandem mehr sprechen. Umso mehr hat es mich überrascht, als plötzlich Frieda bei mir einzog.

Frieda war von einen Tag auf den anderen auf einmal da, ohne jede Vorankündigung. Zuerst mal war ich total schockiert. Es machte mir Angst, wie sie da plötzlich einfach in meiner Wohnung rumsaß und ich wollte, dass sie einfach wieder verschwindet. Leider fehlte mir der Mut, sie einfach so hinauszuwerfen. Also meldete sich die Vernunft in mir und erklärte, dass in Zeiten wie diesen jeder eben das eine oder andere Opfer bringen muss und Wohnraum ja auch nicht unendlich zur Verfügung steht. So habe ich Friedas Anwesenheit akzeptiert. Meine erste offizielle WG war geboren.

Und es lief wirklich gut mit uns beiden. Frieda nahm nur eine kleine Ecke im Badezimmer ein und so kamen wir uns auch in meiner – pardon unserer – kleinen 2-Zimmer-Wohnung fast gar nicht in die Quere.

Insgesamt war Frieda jetzt auch nicht so der gesprächige Typ. Die meiste Zeit hing sie einfach nur so rum. Wir waren stillschweigend eine ultimative Zweck-WG eingegangen und hey, das war okay. Ich arrangierte mich schneller als gedacht damit und bald hatte ich mich auch daran gewöhnt, dass Frieda mir regelmäßig beim Duschen zusah. Aufgrund dieser Vertrautheit schien sich auch Frieda zunehmend wohlzufühlen und begann, es sich richtig gemütlich zu machen. Von ihrer kleinen Ecke aus breitete sie sich rund um das Fenster immer weiter aus. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Frieda das Badezimmer ganz für sich beanspruchen würde.

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Eines Morgens kam ich ins Bad und stellte fest, dass Frieda da an ihrer Wand hing wie tot. Ihr Körper war ganz zusammengekrümmt und ihre 23 Augen waren tief verschlossen. „Frieda?“, fragte ich vorsichtig mit einem Sicherheitsabstand von 1,5 Metern. Und wieder: „Frieda?“. Ich fing an zu weinen und zu flehen: „Nein, Frieda, bitte nicht, das kannst du mir nicht antun….“. Gerade, als ich mich damit abgefunden hatte, dass Friedas Kadaver nun für immer mein Badezimmer zieren würde, weil ich es einfach nicht über mich brachte, das Ding anzufassen oder gar zu entfernen, erwachte Frieda aus dem Tiefschlaf. Sie hatte einfach nur geschlafen. Offenbar hatten wir beide einen völlig unterschiedlichen Tag-Nacht-Rhythmus.

Es wollte mir nicht mehr aus dem Kopf gehen, dass Frieda schlief, wenn ich wach war, aber offenbar in der Nacht wilde Partys in meiner Bude feierte. Wer weiß, was sie da alles anstellt? Am schlimmsten war jedoch der Gedanke, dass sie in der Nacht mit ihren 8 Beinen unter dem Schlitz der verschlossenen Badezimmertür durchkroch und in mein Schlafzimmer kam, nur um dann angesichts meines leblosen Körpers ebenso festzustellen: Endlich ist sie tot, die Alte. Nein, so war das nicht ausgemacht. Jeder von uns hatte seine ganz eigene Zone in dieser WG.

Nachdem Frieda nicht von selbst ausziehen wollte, holte ich mir Hilfe. Die Umzugs-Streichholzschachtel wurde gepackt und die Spinne Frieda mit ihr vor die Tür befördert.

Jetzt bin ich wieder allein. Obwohl ich weiß, dass es so besser ist, und ich wirklich erleichtert bin, denke ich noch manchmal an Frieda. Wie sie jetzt da draußen ist und mit ihren 8 Beinen und 23 Augen die Welt erkundet. Alles Gute für dich Frieda, treib’s nicht zu wild, hörst du?

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